
Hagel ist für Landwirte und Landwirtinnen ein selten auftretendes, aber verheerendes Naturphänomen. Was nach einem Hagelschlag mit dem Ertrag geschieht – unterwegs mit dem Hagelversicherungsexperten Andreas Schluep.
Bilder und Text: Emil Rohrbach
Es ist, als wäre man Teil einer viel zu kitschigen Postkarte, so blau ist der Himmel an diesem Freitagmorgen in Arni im Kanton Bern. Dass hier vor kurzem ein gewaltiger Hagelsturm wütete, würde man ohne genaueres Hinsehen nie ahnen.
Als Experte für die schweizerische Hagelversicherungsgesellschaft ist Andreas Schluep, Landwirt, rund einmal pro Woche im Einsatz. Auch an diesem Freitag. Beim Rössli in Arni BE hat er sich mit Peter Hofer verabredet, dessen Maisfeld dem Hagel zu Opfer fiel. Zusammen fahren sie zum Schadensplatz.
Gewitter mit Hagelstürmen können ganze Ernten zerstören. Für die Landwirte, die ihre Tiere mit dem Gewächs durch den Winter bringen müssen oder auf den Erlös aus Verkauf angewiesen sind, bedeutet dies ein erhebliches Risiko für die Existenz ihres Betriebs.
Die zerstörerische Kraft von oben
Und doch ist Hagel nicht ein besonders häufig auftretendes Phänomen. Normale Gewitter mit Stürmen sind weit häufiger und können auch Schäden anrichten. Warum also ist Hagel so besonders verheerend für die Landwirtschaft?
Hagel entsteht, wenn in Gewitterlagen der Regen vom Wind in kältere Luftschichten geblasen wird und dort gefriert. Dieser Prozess wiederholt sich, bis die Hagelkörner zu schwer sind und vom Himmel fallen. Eine detailliertere Erklärung finden Sie hier.
Seit 1988 ist Andreas Schluep Experte bei der schweizerischen Hagelversicherungsgesellschaft. Als Schnittstelle zwischen Mensch und Naturgewalt weiss er um die zerstörerische Kraft der Hagelkörner Bescheid: «Die Kombination von der Durchschlagskraft der Hagelkörner und dem häufig gleichzeitig auftretenden starken Wind machen den Hagel so verheerend. Es ist, als würde eine riesige Schrotflinte übers Feld schiessen.»
Hagel ist ein regionales Phänomen
Als Experte für die Hagelversicherungsgesellschaft ist Schluep in der ganzen Schweiz im Einsatz: begutachtet Felder, schätzt Schäden und pflegt auch die Beziehungen zu seinen Berufskollegen und -kolleginnen.
Er ist aber nicht überall in der Schweiz gleich oft im Einsatz. Dort, wo er die Menschen kennt, kommt ein Kollege. Und nicht jedes Gebiet wird vom Hagel gleichermassen heimgesucht, wie diese interaktive Karte von Swisstopo zeigt.
Das Ausmass der Zerstörung
Wenn der Hagel aber niedergeht, ist es schlimm. Oft können die Pflanzen nach einem Hagelschlag nicht mehr richtig atmen, weil das Blatt beschädigt ist.

Auch die Früchte leiden. Die Kolben sind wie abgekaut, können nicht mehr weiterwachsen – genau, wie die ganze Pflanze. Die nachfolgenden Bilder zeigen jeweils zwei gleich alte Maiskolben und -pflanzen.


Das geschlitzte Blatt wird schneller dürr. Die dürren Pflanzenbestandteile verursachen für Hofer ein zweites Problem. Beim Konservieren kann es zu Lufteinschlüssen kommen und unter Umständen das ganze Silo verderben. Hofer wird seinen Mais in kleinere Ballen verpacken, um das Risiko zu minimieren, einen ganzen Siloinhalt zu verlieren.
Leben im Hagel-Hotspot
Arni BE, wo Bauer Peter Hofer lebt, ist an der Westflanke des Aaretals gelegen und grenzt an das Emmental. Ein Hotspot für Hagelgrossereignisse. Immer wieder gehen über Hofers Land Gewitter mit Hagel nieder. In den letzten 10 Jahren blieb der Grossraum Arni/Biglen (roter Kreis) nur 2019 Hagelfrei.

Eine Versicherung liegt für Hofer also nahe. Gefragt, was in ihm denn vorgehe, wenn ein Hagelsturm losgeht, reagiert er gelassen:
DIE SUMME
Die Versicherung bewertet eine Hektare Mais mit 3800 Franken. Hofers Parzelle ist 105 Aren gross. Er hat also Anspruch auf 3990 Franken bei totaler Zerstörung. Hagelexperte Schluep schätzt den Schaden auf 70 Prozent.
| Schaden | Subtotal |
| 65 % beschädigte Pflanzen | 2593.5 Fr. |
| 5 % umgeknickte Pflanzen | 199.5 Fr. |
| 70 % Versicherungssumme | 2793.- Fr. |
36 Jahre Erfahrung als Experte lassen das Schätzen einfach aussehen – und klar. Die Schäden allein könne ein reiner Versicherungsexperte auch berechnen und richtig schätzen.
Ein solidarischer Beitrag
Die «Hagel» stellt Landwirte an, weil bei der Schätzung nicht nur der reine Schaden mit eingerechnet werden muss, sondern auch die Pflege des Feldes. Ein Blick gilt also immer auch dem Boden. Schluep muss also auch die Qualität der Arbeit seiner Berufskollegen mit einberechnen.
Das sei nicht immer einfach, sagt er. Aber: «Grundsätzlich verstehen die Geschädigten, dass die Versicherung sie nicht übers Ohr hauen will. Sie sind ja Kunden.»
Hofer meint, es gebe zum Glück viele Jahre, in denen er nicht oder nur wenig getroffen werde. Und: «Dann muss man die Versicherungsprämien gewissermassen als solidarischen Beitrag an diejenigen betrachten, die eben einen Schaden hatten.»


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