Er ist «Dingdoc». Claude Hächler repariert in Oberentfelden Surfbretter. Wie er dazu kam und wie er davon leben kann.
Hat ein Surfbrett einen Schaden, nennt man ihn ein «Ding». Nicht das deutsche Ding, dieses unbeschreibliche Objekt. Auch nicht das Ding, das zu Dong gehört. Ein anderes «Ding» eben. In unserer Mundart würde man vielleicht das Wort «Näggi» als Beschreibung heranziehen, oder sagen, dass das Brett einen «Blätz» hat. Dass die Schweizer Mundart kein Wort für einen Defekt am Surfbrett hat, ist klar.

Aber Surfen gewinnt in der Schweiz als Sportart laufend an Popularität. An die 50’000 Surferinnen und Surfer soll es gemäss Szenekennern geben. Zum Surfen braucht es ein Brett und es braucht Wellen. Egal ob Meer, Fluss oder künstliche. Surfbretter sind leicht: für den Auftrieb. Gemacht für Wasser und nicht den Transport. Oft reichen Steine oder ein Asphaltboden, um in der Beschichtung Risse zu verursachen. Dings eben.
«Das Meer ist imfall in Frankreich», hört er oft, wenn er erzählt dass er beruflich surfbretter repariert. Claude Hächler ist Dingdoc und lebt in Lenzburg. In Oberentfelden ist seine Werkstatt. Sein Ziel ist es, irgendwann in der Schweiz verteilt mehrere Reparaturaussenposten zu errichten, damit alle, die in der Schweiz surfen, ihre Dinger repariert kriegen. Und damit er vollständig vom Traumberuf «Dingdoc» leben kann.

Denn ohne zweite Beschäftigung würde es dem gelernten Zimmermann finanziell noch nicht reichen. «Es gibt Wochen, da arbeite ich 80 Prozent als «Dingdoc» und 20 in der Zimmerei. Manchmal ist es umgekehrt.»
Vom Skater zum «Dingdoc»
Damit er doch seinem Traum nachgehen kann, hat er sich ein atypisches Geschäftsmodell erbaut: «Ich war noch nie einer für den Mainstream.» Als 10-Jähriger kam Claude Hächler in den Ferien zum ersten Mal mit dem Surfen in Kontakt. «Mein Bruder und ich fanden hinter einer Düne in Italien dieses kaputte Windsurfbrett und schleppten es zu uns an den Platz», sagt Hächler.
Der Vater, ein Schreiner aus Lenzburg, befindet das Surfbrett nach erstem Betrachten für unbrauchbar, zückt sein Sackmesser und schneidet dem Brett eine neue Nase. «Für die ersten Versuche reichte es», sagt er gute 30 Jahre später.

Gute Bretter bestaunt er in jungen Jahren in den Hochglanzkatalogen, die es im lokalen Sportwarengeschäft gibt. Das Schlafzimmer des Jugendlichen ist tapeziert mit den eindrücklichsten Ausschnitten. Die Big-Wave-Legende Laird Hamilton, der Wellen bis zu 22 Metern Höhe und mit 80 km/h gesurft hat, ist sein Vorbild.
Mangels Meer und Wellen ist in seiner Jugend das Skaten und später das Snowboarden steter Begleiter. Anfang der 90er-Jahre gehört das Snowboard noch nicht zum Mainstream. Skaten ist etwas Fremdes. «Mein Bruder und ich machten uns in Lenzburg nicht nur Freunde, wenn wir vor der Bank oder dem Zahnarzt auf den Bordsteinen skateten. Aber auf dem Marmor konnte man so schön sliden.»
Nach der Schule sucht er eine Lehrstelle. Zu wenig vehement, wie er heute sagt. Er verbringt ein Jahr auf dem Stoos als Hotelgehilfe. Mit der Lehre klappt es ein Jahr später dann doch. Er wird Zimmermann. Endgültig ins Surfen verliebt er sich nach der Lehre. Ein Monat in Bali, das erste Mal alleine weg von zu Hause. Als er zurückkommt, arbeitet er als Saisonnier: im Sommer als Zimmermann und im Winter in den Bergen als Küchenhilfe, um Snowboarden zu können. Und immer wieder surfen, immer Sport.

Im Fitnessstudio in Oberentfelden fällt ihm vor etwa sechs Jahren ein leeres Kämmerchen auf. Hier würde er Surfbretter bauen. «Das ist meine Werkstatt», denkt er sich. Aus Bauen wird Reparieren. Der Nachhaltigkeitsgedanke bewegt ihn dazu: «Lieber reparieren, als immer ein neues Brett kaufen.» Als 2017 ein Surfshop aus Zürich für eine Kooperation anfragte, ist das Geschäftsmodell geritzt: Aus Claude Hächler wird der «Swissdingdoc».
70 Stundenwochen gehören einfach dazu
Die meisten Surfbretter, ob Wind- oder Wellen-, sind innen mit einem Hartschaum gefüllt und werden mit Glasfasertuch belegt. Den matten Finish gibt dem Surfbrett ein Kunstharz. Es verschmilzt quasi mit dem Glasfasertuch und bildet eine solide Oberfläche.

Das macht Surfbretter extrem fragil. Besonders, wenn sie in Kontakt mit harten Gegenständen kommen. Denn sobald die Schicht aus Glasfaser und Kunstharz einmal durchbohrt oder abgeschnitten ist, kommt Wasser ins Brett. Der Schaum kann sich vollsaugen und das Brett gänzlich unbrauchbar machen.
Oft merkten die Kunden Schäden an ihren Brettern erst, kurz bevor der nächste Trip losgehen soll. «Und dann muss es schnell gehen», sagt Hächler, der in der Hochsaison gut und gerne mal 70 Stundenwochen arbeitet. Da die Arbeit häufig in Wellen anfällt, arbeitet er mit einem speziellen Modell: «Als Firma verkaufe ich nebst Surfbrettreparaturen auch meine Arbeitsstunden an Zimmereien.»

Das erspart ihm und den Zimmereien das Temporärbüro in der Mitte. Da er die Bretter meist am Samstag holt und auch bringt, kann er die Arbeitszeit sehr flexibel einteilen. Die meisten Kunden geben ihre Bretter bei Surfari in Zürich ab, aber es gebe auch welche, die beispielsweise aus dem Bernbiet anreisten, eigens für seine Expertise.
Eine Expertise, die er sich im Laufe der Jahre selbst angeeignet hat und die er im kommenden Jahr in einem Workshop weitergeben will. Denn kleine «Dings» selbst zu reparieren, soll zum Repertoire aller Surferinnen und Surfer gehören.


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