Claude und Zita Schoch segeln seit 20-Jahren auf dem Bielersee. Diesen Sommer zog es sie aufs offene Meer. Ein Bericht der knapp zweiwöchigen Reise – von frischen Fischen, Karaoke und dem Nichtstun.
Zur See fahren: und zwar fern ab von der beduselnden Ausgelassenheit einer All-Inclusive-Kreuzfahrtswanne. Der Oltner Claude Schoch und seine Frau Zita erfüllten sich diesen Sommer den Traum von der Schifffahrt auf dem offenen Meer. Eine Faszination, so alt wie der Mensch. Eine Faszination, die auch im Binnenland Schweiz bestehen bleibt.

Zeit seines Lebens arbeitete er sich näher und näher an dieses Ziel heran. Schoch schwärmt vom Segeln auf dem Bielersee oder von seinem umgebauten holländischen Flussfrachtschiff. Aber die hohe See birgt eine andere Faszination. Er und seine Frau fuhren von Rotterdam mit einem Frachter via den Britischen Inseln nach Island. Wie unterscheidet sich die Fahrt auf einem Containerschiff von der Kreuzfahrt?
Claude Schochs 1×1 der nautischen Fachbegriffe:
Brücke
Dieser Begriff steht für den Kommandoraum auf dem Schiff. Er ist zuoberst im «Schiffsturm» und bestimmt der interessanteste Platz auf dem Schiff. Viele Bildschirme, Joysticks (keine traditionellen Steuerräder), Funkgeräte.

Immer wieder diese zwei Fragen

Schoch beginnt seine Erzählungen mit den zwei Fragen, die ihm Freunde und Bekannte vom «Festland» immer wieder gestellt hätten. Einerseits sei er jeweils irgendwelche technischen Fragen über Schiffe, Navigation oder Container gefragt worden, auf die er jeweils antwortete: «Ich weiss es nicht, aber ich frage nach.» Und andererseits: «Was tust du eigentlich auf diesem Schiff?»
«Wir konnten alles machen, was man als Passagier auf einem Frachtschiff machen kann: herzlich wenig», sagt Schoch und lacht dabei. «Du bist einfach dort, sitzt und schaust.» Die Faszination lag für ihn nicht in aufregenden Aktivitäten, sondern im simplen Erleben der Schifffahrt.
Der Alltag an Bord sei ruhig gewesen, oft still – genau das, was er wollte. Langeweile? Keineswegs. Man müsse sich nur interessieren – und in den richtigen Momenten fragen – dann würde einem alles gezeigt.

Von Zeit zu Zeit habe man Häfen angelaufen, zum Beispiel Teesport im Osten Englands. Die Ankunft in den Häfen sei aber selten ein Anlass, das Schiff zu verlassen. Schoch: «Da störst du nur, denn die Crew muss arbeiten.» Nur in Reykjavik gab es einen Shuttleservice in die Stadt. Die meisten Häfen lägen aber ohnehin im Niemandsland.
Von der Crew gemocht
Und dennoch, es war eine Erfahrung, die er nicht missen wollte. «Wir hatten ein schönes Schiff, eine schöne Route. Das ist alles planbar, aber nicht die Crew. Da muss man Glück haben.»

Die 18-köpfige Crew bestand aus sieben Offizieren, einem Koch und der Mannschaft. Die Mannschaft: alles Filipinos, alles Männer. Die beiden Kapitäne: ein Ukrainer und ein Russe. Sie hätten sich gut um die Passagiere gekümmert. «Die beiden schienen sich zu verstehen, von politischen Differenzen keine Spur.» Der Krieg sei jedenfalls nie Gesprächsthema gewesen.
Claude Schochs 1×1 der nautischen Fachbegriffe
Flaggen
Es ist üblich, dass das Schiff beim Ein- und Auslaufen und dem Aufenthalt im Hafen die Gastlandflagge setzt. Zudem setzt es auch Flaggen für besondere Ladungen (zum Beispiel Gefahrengut).

«Einmal hatte die Crew einen Karaokeabend organisiert. Und die Kapitäne empfahlen uns Passagieren dringend, daran teilzunehmen und eine Kiste Bier beizusteuern», sagt Schoch. «Karaoke muss auf den Schiffen sehr beliebt sein, sie sangen richtig gut», erinnert er sich.
Claude Schochs 1×1 der nautischen Fachbegriffe:
Schlepper, Schleppschiffe
Das sind Schiffe, die in erster Linie starke Motoren haben. Schlepper werden vorne am Bug oder hinten am Heck mit Trossen/Tauen mit dem Schiff verbunden und ziehen oder bremsen das Schiff während des Manövrierens im Hafen. In bestimmten Fällen können Schlepper auch «bugsieren», das heisst: das Schiff von der Seite stossen. Dazu haben sie dicke Gummipolsterungen vorne an ihrem Bug. Die Schlepper werden vom Lotsen via Funk angeleitet.

Auf so einem Schiff würde man als Passagier im besten Fall geduldet, sagt Schoch. «Aber wir wurden sehr gut geduldet», sagt er und merkt an: «Weil wir gefolgt haben.»
Fast täglich frischer Fisch und Fitness
Eines der eindrücklichsten Erlebnisse an Bord sei das gemeinsame Essen in der Messe gewesen. Das Schiff war teilweise autark, der Verdienst eines einzigen Mannes: Ein technischer Offizier, der aus Freude in seiner Freizeit fischte. «Er liess jeweils in seinen Pausen eine lange Schnur von Deck herunterfallen», erzählt Schoch. Das Deck sei etwa acht Meter über dem Wasser gelegen, wenn das Schiff voll beladen war.
Claude Schochs 1×1 der nautischen Fachbegriffe:
Messe
Auf Frachtschiffen ist das kein Begriff für etwas Kirchliches. Es ist die Bezeichnung der Essräume. Dabei gibt es eine Offiziersmesse, in der auch eventuell Passagiere mitessen und eine Mannschaftsmesse.

Das Leben an Bord war einfach, fast spartanisch. Anstatt luxuriöser Annehmlichkeiten gab es etwas, das im weitesten Sinne der Definition als Fitnessstudio habe bezeichnet werden können. Ausgestattet mit einem Fahrrad und einem Tischtennistisch. Schwer vorstellbar, dass dieser auf hoher See gebraucht werden kann.
Sie als Passagiere seien physisch ohnehin geschlaucht worden: Die Kajüte lag im Schiffsturm ganz oben. Die Treppen waren «gäch».
Ein genaues Start- und Enddatum haben solche Frachtschiffreisen übrigens nicht. Man wird auf einen gefixten Zeitraum in die erste Hafenstadt beordert und dann recht kurzfristig informiert, wann das Schiff auslaufen wird.


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